Elektrofahrzeuge werden immer beliebter: Die Reichweite ist ein wichtiger Faktor bei der Auswahl des passenden Elektrofahrzeugs. Die beworbene Reichweite entspricht dabei allerdings nicht immer der Reichweite, die unter realen Bedingungen erzielt wird.
Dass Elektroautos bei kälteren Temperaturen einen gewissen Reichweitenverlust erleiden, ist nicht neu. Der norwegische Automobilverband hat gemessen, wie sehr sich kaltes Klima, Schnee und Eis auf Reichweite, Verbrauch und die Ladezeit auswirken.
Haupterkenntnisse aus der norwegischen Studie:
- Elektrofahrzeuge schalten sich nicht plötzlich ab, wenn ihnen der Strom ausgeht.
- Elektroautos verlieren in kälteren Klimazonen durchschnittlich 20 Prozent ihrer Reichweite.
- E-Autos laden bei kalten Außentemperaturen langsamer als bei warmen.
WLTP-Testzyklus vs. reale Straßenverhältnisse
Reichweite und Verbrauch von auf dem europäischen Markt verkauften Elektroautos werden durch einen Testzyklus namens World Light Vehicle Test Procedure (WLTP) bestimmt.
Das WLTP-Verfahren dient der Typgenehmigung aller für die Herstellung zugelassenen Kraftfahrzeuge. Das Testverfahren wird teilweise im Labor durchgeführt.
Zusätzlich werden die Autos auf einer 23 Kilometer langen Strecke getestet. Dieser Test wird bei sommerlichen Temperaturen durchgeführt. Somit kann der Test, wie alle Testzyklen dieser Art, nur Hinweise auf die letztendliche Reichweite und den Verbrauch geben.
Wie sich das Elektroauto auf der Straße verhält, das ist eine andere Geschichte, da die Straßenverhältnisse im wahren Leben sehr stark variieren - abhängig von Wetter, Straßenbelag oder Verkehrsaufkommen.
Norwegischer Automobilverband testet 20 populärste europäische Elektroautos unter Winterbedingungen
Was hat NAF genau gemacht? Der Automobilverband hat 20 der meistverkauften Elektroauto-Modelle getestet, die seit Januar 2020 in Norwegen auf dem Markt zum Verkauf freigegeben waren.
Im Fokus des Tests standen Reichweite, Verbrauch und die tatsächliche Ladezeit. Um alle Autos gleichermaßen testen zu können, wurde die Testfahrt ohne Vorheizen von Fahrerkabine oder Batterie durchgeführt. Alle Autos fuhren am selben Tag dieselbe Strecke mit ähnlicher Fahrweise und ähnlichen Klimatisierungseinstellungen.
Die Teststrecke bestand aus Stadtfahrten, Autobahnen und Landstraßen mit Geschwindigkeiten von 60 kmh (37 mph) bis 110 kmh (68 mph). Alle Autos mussten eine Steigung über einen Bergpass meistern. Die Autos mit der längsten Laufzeit erklommen sogar zwei Bergpässe.
In Norwegen verkaufte Autos unterscheiden sich teilweise von den Elektroautos auf anderen europäischen Märkten, aufgrund der härteren Witterungsverhältnisse. Einige Autos werden mit spezieller Winteredition-Ausstattung, mit Wärmepumpe, Batterieisolierung und einer Möglichkeit zum Vorwärmen des Elektromotors und des Fahrerraums verkauft.
Auch wenn diese Funktionen im Test nicht explizit genutzt wurden, können sie sich auf die Testergebnisse auswirken.
Was waren die Ergebnisse des Elektroauto-Tests?
Die Elektrofahrzeuge verloren im Durchschnitt 18,5 Prozent ihrer Reichweite im Vergleich zu ihrer WLTP-Reichweite.
Hyundai KONA kam seiner eigenen angegebenen WLTP-Reichweite am nächsten, mit einer Abweichung von nur Neun Prozent gegenüber WLTP. Der KONA ist das Auto mit der längsten tatsächlichen Reichweite in der niedrigsten Preisklasse und einer angemessenen Ladegeschwindigkeit.
Opel Ampera-e schaffte 70 Prozent der angegebenen Reichweite (WLTP). Das Auto hat immer noch eine gute Reichweite, die die meisten Bedürfnisse erfüllt. Doch die Kombination aus einem hohen Preis und einem Akku, der nur mit maximal 50 kW lädt, macht den Ampera-e auf dem heutigen Elektroautomarkt immer weniger konkurrenzfähig.
Das Tesla Model S LR hat die längste WLTP-Reichweite auf dem Markt. Im realen Reichweitentest kam das Model S am weitesten. Das Tesla-Urgestein hat im Test die zweitgrößte Abweichung zur WLTP-Reichweite und schafft nur 74 Prozent der angegebenen Reichweite. Zu beachten ist, dass das Model S unter schwierigeren Fahrbedingungen fuhr als die anderen Modelle. Die letzten Kilometer führ das Elektroauto in tiefem Neuschnee, was den Verbrauch generell enorm erhöht.
Halten Elektroautos plötzlich mitten auf der Straße an, wenn der Akku leer ist?
Eine kurze Antwort auf die Frage ist: Nein.
Entgegen der landläufigen Meinung schalten Elektroautos sich nicht plötzlich ab, wenn die Batterie leer ist.
Der Test zeigt, dass alle Elektrofahrzeuge vorher mehrmals warnen, bevor ihnen der Strom komplett ausgeht. Der Fahrkomfort und die Sicherheit bleiben auch nach den Warnungen noch erhalten.
Der Test zeigt, dass die meisten Elektroautos die Geschwindigkeit bis auf die letzten Kilometer halten. Dann erlebten die Fahrer alle einen Beschleunigungsverlust und eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit. Bei manchen Autos schaltet die Heizung automatisch ab.
Selbst, wenn die Ladung komplett aufgebraucht war, konnten die meisten E-Autos noch ein paar Kilometer fahren. Dafür wurde der Motor für eine halbe bis eine Stunde komplett abgeschaltet und dann wieder angeschaltet. Das ist äußerst praktisch und gut zu wissen – insbesondere, wenn Sie nur wenige hundert Meter vor einer Ladestation oder Ihrem Zuhause stehen bleiben.
Schnellladen von Elektroautos ist im Winter komplizierter
Das Testteam maß auch die Schnellladung mit Fokus auf Ladedauer und Effektivität. Schnelles Laden mit Ladestationen am Straßenrand mitten im Winter ist nicht einfach aufgrund der niedrigen Außentemperaturen. Die Ladegeschwindigkeit, also wie viel Kilowatt der Akku pro Zeiteinheit verkraftet, hängt von Faktoren wie Ladezustand der Batterie, Akkutemperatur und der Außentemperatur ab.
Der Ladetest wurde nach mindestens zweistündiger Fahrt auf der Autobahn durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Batterie warm war. Die Autos wurden ohne Anstehen direkt zur Ladestation gefahren. Alle Autos wurden von weniger als 10 Prozent auf mindestens 80 Prozent aufgeladen.
Im Test kam heraus, dass es dennoch nicht ganz einfach ist, die Batterie im Winter im Schnelllade-Modus voll zu bekommen. Auch wenn Sie den Ladevorgang ordnungsgemäß vollziehen, ist die Schnellladedauer bei allen Modellen länger als angegeben.
Wer punktet mit der schnellsten Ladegeschwindigkeit?
Der Audi e-tron 55 Quattro hat die schnellste Ladegeschwindigkeit auf dem Markt (Stand: Studie NAF 03/ 2020). Er lädt in nur 27 Minuten auf 80 % und hält während des gesamten Tests eine stetige Ladekurve auf einem sehr hohen Niveau.
Beim Laden spielt das Tesla Model 3 in einer eigenen Liga. An einer „Ionity“-Netzladestation wurden knapp 200 kW erreicht, der M3 lädt in 35 Minuten auf 80 Prozent. Angesichts des geringen Verbrauchs des Model 3 ist dies eines der Elektrofahrzeuge, mit denen Sie am schnellsten lange Strecken zurücklegen können.
Am anderen Ende befindet sich der Opel Ampera-e und Renault Zoe. Beide Autos haben große Batteriepakete, unterstützen aber nur das Laden von bis zu 50 kW. Tatsächlich schafft Renault Zoe nur um die 40 kW. So wird das vollständige Aufladen des Akkus an einer Schnellladestation zu einer zeitraubenden Angelegenheit von mehreren Stunden.
Alle Informationen zum Test und eine Übersicht über die Gesamtergebnisse finden Sie auf direkt auf der Webseite vom NAF.